Praktikumsbericht Levi Elias Israel

Oktober 2016

Als ich mich für das Schriftsteller-Praktikum bei Katja Brandis bewarb, war ich vierzehn. Neunte Klasse Praktikum, das vom Berliner Schulsystem angeordnet wurde. Ja, ich hatte gelesen das man das Praktikum erst ab Sechzehn machen kann, aber das ging verloren als ich mitbekam, dass ich zwei Wochen lang schreiben könnte anstatt zur Schule zu gehen. Ich schrieb Katja also an, versuchte so sympathisch wie möglich zu wirken, schickte das einzige gute Schulfoto das je von mir gemacht wurde- und Tadaa, angenommen. Aber natürlich, zu jung. Vielleicht noch ein Jahr warten?

Jetzt sitze ich also hier, ein Jahr später, an einem hölzernen Schreibtisch, neben mir surrt der Drucker und insgeheim warte ich darauf das Leon, einer der vielen Kater in diesem Haus, vorbei schaut. Auf meinem rechten Ohr höre ich “Clear” von Twenty One Pilots, eine Band mit der ich auch Katja begeistern konnte. Das linke Ohr ist frei, damit ich es höre wenn ich gerufen werde. Dann gehe ich ins Zimmer neben an und da sitzt Katja, eine ganze Welt vor sich, gebaut aus kleinen Strichen und Kurven die wir Buchstaben nennen. Fantastisch, nicht wahr? Wie man eine Straßen, Schlösser, Menschen, Tiere beschreiben kann ohne je ein Bild zu zeigen.

Zurück zu Katja, die an ihrem Computer sitzt und fleißig dahin tippt. Ich betrete den Raum und sie lässt ihre Welt für einen Moment in der Zeit stehen bleiben, hört auf zu schreiben und lächelt mich an. Dann fragt sie mich vielleicht wie weit ich mit meiner Geschichte bin, mit einer Charakterisierung oder dem Drehbuch für einen Buch Trailer eines Romans den sie bald herausbringt und dessen erste Seiten ich schon lesen durfte. Oder vielleicht gibt sie mir nur ein Paket, das ich schnell zur Post bringe, was mir die Gelegenheit gibt Olching und seine Menschen ein bisschen kennen zu lernen.

Dann wieder zurück in mein Arbeitszimmer, mit Blick auf die vom Herbst gefärbten Bäume. Ein Moment Ruhe. Musik an, Laptop auf und ich bin in meiner eigenen kleinen Welt. Mehr Buchstaben und Kurven, noch ziemlich unvollendet in dem was sie erschaffen, aber mit jedem Wort ein wenig klarer. Die Musik gibt den Ton an und die Geschichte fließt aus meinen Fingern, in den Bildschirm. Unterbrochen wird dieser Zustand der absoluten Hingabe zum Buch erst um eins.

Musik aus, Laptop zuklappen, runter in den ersten Stock und Mittag essen. Brot, Käse, diverse Aufstriche und irgendeine Form von Salat, Mozzarella und Tomaten vielleicht. Essen und weiter arbeiten, um Drei nach Hause und wahrscheinlich immer noch schreiben, mit dem Unterschied, dass man dabei Katzenvideos guckt. Abendbrot essen, schlafen gehen und am nächsten Tag das selbe. Reinkommen, von drei schlafenden Katzen begrüßt werden und weiterschreiben. Jeden Tag das selbe, aber wer schreibt weiß, dass das nicht stimmt. Klar, äußerlich sieht es aus als würde ein Tag wie der andere sein, aber die Kurven und Striche ändern sich. Wenn man schreibt, ist man jeden Tag woanders. Man lernt neue Leute kennen, die man zwar selbst erschaffen hat, schnell jedoch von ganz alleine zu funktionieren scheinen.

Man reist nach New York, Bangladesch, Tokio, Paris, ohne auch nur seinen Stuhl zu verlassen. Man ist Präsident, Wissenschaftler oder Astronaut, obwohl man noch nicht einmal sein Abi hat. Man weiß wie ein ausgewachsener Mann mit einer Stecknadel getötet werden kann oder wie man Bomben baut. Wenn die NSA von der ganzen Recherche die man für seine Geschichten betreibt nicht aufmerksam geworden ist, wird das Buch langweilig. Schriftsteller sind wahrscheinlich die Menschen mit dem meisten unnötigen Allgemeinwissen und sie sind stolz darauf.

Also, zurück in diese Welt, Tag für Tag. Lernen wie man sie besser, schöner macht. Wie man seine Charaktere ausbaut und ihnen Leben einhaucht. Was gibt es Schöneres.

3 Kommentare

  1. Für Fragen kann man mich (Levi) übrigens gerne auch auf Instagram @whatthechuckdude anschreiben, falls jemand sich unsicher wegen einer Unterkunft oder anderem ist! Und ch würde auch gerne mit anderen die ihr Praktikum bereits absolviert haben, schreiben! Ein Austausch von Wissen, Ideen und Geschichten wäre denke ich für alle Beteiligten Interressant!

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  2. Ein unglaublich schön geschriebener Praktikumsbericht der einem die Möglichkeit eröffnet, sich in die verträumte Welt der autoren einfühlen zu können. Ein großes Lob auch an Sie Frau Brandis, dass Sie Praktika in diesem Berufsfeld ermöglichen. Gerne würde ich ein solches auch absolvieren dürfen, sich mal ein paar Monate in seinen Traumberuf einleben zu dürfen. Ein Pech, dass es von der schönen Hauptstadt Baden-Württembergs bis nach München gute zweihundert Kilometer sind.

    Liebe Grüße

    Fabian Lieb

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    • Hi Fabian,
      ja, stimmt, ich fand auch, dass Levi den Bericht sehr schön formuliert hat. Wenn du irgendwann mal Lust hast, dich für eine oder zwei Wochen zu bewerben, dann mach das doch, ich würde mich freuen. In der Umgebung eine Unterkunft zu finden ist halb so wild und trägt vielleicht zum Spaß bei, weil man mal richtig weg sein darf und auf sich allein gestellt ist.
      Viele Grüße,
      Katja

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