Entstehungsgeschichte „Vulkanjäger“

Entstehungsgeschichte Vulkanjäger

Katja Brandis

Alles begann auf der Buchmesse im Jahr 2011. Es ist fast peinlich, es zu erzählen: Ich schaute meine beiden Romane Ruf der Tiefe und Schatten des Dschungels an und dachte: „Hm, jetzt haben wir ein blaues und ein grünes Cover… eigentlich brauchen wir noch ein rotes und ein gelbes.“ Und da ich gerade ein Kindersachbuch über Vulkane geschrieben hatte und für das Thema buchstäblich „Feuer gefangen“ hatte, war es klar, dass ich für das rote Cover das Thema Vulkane anpacken wollte. Während der Recherche für das Sachbuch hatten mich besonders die krassen Persönlichkeiten fasziniert, die sich in der Vulkanologie tummelten, zum Beispiel Maurice und Katia Krafft, die besessen waren von den Feuerbergen und denen ihre Leidenschaft zum Verhängnis geworden ist. Und zack! war die Idee von Vulkanjäger geboren, in weniger als fünf Sekunden hatte ich sie komplett im Kopf.

Ein Vulkanologe und Dokumentarfilmer, der zu viele Risiken eingeht, und sein Sohn, der ihn einen unvergesslichen Sommer lang begleitet und dabei immer mehr Angst bekommt um seinen Vater und um sich selbst. Zwar hatten die Kraffts keine Kinder, aber das war eigentlich besser für mich, denn so konnte ich mich ganz dem „Was wäre, wenn…?“-Spiel überlassen.

Bücherstapel

Mit der Recherche begann ich im Frühjahr 2012, sobald ich meinen neuen Thriller abgeschlossen hatte. In meinem Regal begannen sich die Vulkan-Bücher zu sammeln, dazu Fachbücher zum Thema Filmemachen, Bücher über Indonesien, Italien, Neapel. Mir wurde langsam klar, dass ich mir ganz schön was vorgenommen hatte. Obwohl ich mich im Thema schon auskannte, musste ich für den Roman noch viel, viel tiefer graben, als ich es bisher getan hatte. Und tatsächlich, es war meine bisher aufwendigste Recherche. Monatelang las ich Fachbücher in drei verschiedenen Sprachen, schaute Dokus, führte Interviews mit Forschern. Eine tolle Zeit, ich lernte unglaublich viel und hatte eine Menge Spaß dabei.

Etwas seltsam fand ich, dass es mir einfach nicht gelang, einen italienischen Vulkanologen zu fassen zu bekommen – obwohl ich meine Anfrage-Mail extra hatte übersetzen lassen, weil ich gehört hatte, dass viele Italiener ungern Englisch sprechen. Zum Glück hatte ich durch das Sachbuch schon einige Kontakte zu Fachleuten, und einige andere kamen hin, zum Beispiel ein Vulkanologe aus Indonesien, der mir noch ein paar Geheimnisse des Merapi verriet, und eine sehr sympathische Vulkanologin aus Neuseeland. Besonders interessant war für mich, den sympathischen Dokumentarfilmer Jan Haft (nautilusfilm) auf seinem Hof in Dorfen zu interviewen, auf dem neben seiner Familie auch ein Fuchs, diverse Flughunde, ein Esel und eine ganze Menge andere Tiere leben. Geduldig beantwortete er mir meine Fragen und ließ mich seine Kameras anschauen (alle so schwer, dass ich sie kaum hochheben konnte!). Als ich kurz darauf mit Mann und Sohn in seinen Kinofilm Das grüne Wunder ging, war ich schon ordentlich stolz, einen so bekannten Filmemacher persönlich zu kennen.

Feuerberge live

Für den Sommer hatte ich eine Recherchereise zum Ätna auf Sizilien, zum Vulkan Stromboli und nach Neapel zum Vesuv geplant. Zum Glück ließ sich meine Familie dafür begeistern, mitzufahren, mein damals sechsjähriger Sohn war Feuer und Flamme für den „Motto-Urlaub“. Und ich fing ernsthaft an, mit Stepper und Springseil zu trainieren, damit ich den Aufstieg zum Stromboli – 900 Höhenmeter in sizilianischer Gluthitze – überhaupt schaffen würde. Als es dann soweit war, war ich ziemlich aufgeregt. Aber ich hielt dank des Trainings gut durch. Der Stromboli ist schon seit Tausenden von Jahren daueraktiv, und während des Aufstiegs hörten wir immer wieder das tiefe Rumpeln des ausbrechenden Vulkans, es klang wie Kanonendonner. In meinem Magen kribbelte es. In der Dämmerung waren wir auf dem Gipfel und blickten in die brodelnden Krater hinab; für den Fall, dass vulkanische Bomben in unsere Richtung flogen, trugen wir Schutzhelme. Angst hatte ich aber keine, und als in ein paar hundert Meter Entfernung eine Feuerfontäne aus einem Krater hervorschoss, jubelte ich mit den anderen.

Ziemlich außerirdisch fühlte es sich ein paar Tage später an, auf dem kahlen schwarzen Gipfelplateau des Ätna zu stehen, umhüllt von stechenden Dampf- und Gas-Schwaden. Begeistert kletterte Robin mit mir in einen Nebenkrater und freute sich, als er dort eine Fumarole entdeckte, einen Ort, an dem Gas aus dem Untergrund austritt.

Im Vergleich dazu fanden wir den Vesuv eher unscheinbar – ein stummer Schlund aus Stein, der unglaublich nah neben der Millionenstadt aufragt. Aber nervös war ich doch ein wenig, solange wir in seiner Nähe wohnten, und als ich nachts zweimal ein eigenartiges Donnern hörte, schaute ich sofort nach, ob über dem Vesuv nicht etwa eine Aschewolke stand. Zum Glück nicht, einmal hatte ich Feuerwerk gehört und das andere Mal den Beginn der Jagdsaison. Hoffentlich dauert es bis zum nächsten Ausbruch des Vesuv noch sehr lange, denn er ist einer der gefährlichsten Vulkane der Welt…

Mit am krassesten fand ich den alte Vulkan Solfatara in der Nähe von Neapel, in dessen Krater es noch immer höllisch dampft, der Schwefel hat darin kanarienvogelgelbe Ablagerungen gebildet. Der Boden ist so heiß, dass man ihn kaum anfassen kann, und klingt hohl, wenn man einen Stein darauf fallen lässt.

Mein Mann und mein Sohn waren von den Vulkanen übrigens so wie ich restlos begeistert, und wir haben kiloweise Lavabrocken als Souvenir heimgeschleppt – die später bei meinen Vulkan-Lesungen reißenden Absatz fanden.

Gefallen hatte uns auch Neapel, in dem ich tagelang herumstreifte, um Handlungsorte zu suchen und zu fotografieren. Malerisch, majestätisch, eng, dreckig, brutal… diese Stadt war der perfekte Handlungsort. Und dank der Warnungen meiner Interviewpartnerin Anna, die schon in Neapel gelebt hatte, kam ich auch unversehrt wieder daraus zum Vorschein.

Echte Kerle

Nach dieser ausgiebigen Recherche war es das reine Vergnügen, das Manuskript schreiben zu können. Meine Figuren hatte ich schon längst klar vor Augen – mein „Jan“ ist einem ehemaligen Klassenkameraden von mir ähnlich, der später Tierarzt geworden ist. Und im Herbst 2011 hatte ich auf dem Titelbild einer Bücherzeitschrift einen Mann entdeckt, bei dem ich spontan dachte, „He, das ist André!“ Im wirklichen Leben ist er Autor, heißt Jo Nesbø und ist fast schon unerträglich cool.

Es machte mir großen Spaß, die Beziehung der beiden auszuloten. Entspannt schrieb ich drauflos, und ehe ich mich´s versah, war das Manuskript fertig. Es gefiel mir ebenso gut wie Ruf der Tiefe, und das will schon was heißen. Kurz vor Weihnachten stürmte ich den Copyshop, um mein neustes Werk für meine Testleser kopieren und binden zu lassen, Ende Januar hatte ich die meisten Rückmeldungen und konnte mit der Überarbeitung loslegen. Besonders süß fand ich das Feedback meines jugendlichen Testlesers Lennart Schaefer: „Ich habe mich unglaublich in Jan herein versetzt gefühlt. So, wie ich es noch nie in einem Buch hatte. Als er am Anfang in der Muschelschalenlava geht und sagt, dass er eher schwerer ist, dachte ich wirklich: „Was? So schwer bin ich doch gar nicht!“ Da musste ich kurz über mich lachen :-D“

Ich kann nur hoffen, dass es manchem anderen Leser auch so geht!

Neuer Titel, neue Struktur

Nach dem Feedback des Verlages musste ich das Manuskript dann noch einmal ordentlich umkrempeln – in der Originalfassung tauchte Giulia erst in der zweiten Hälfte auf, dadurch konnte sie als Hauptfigur nicht genug Profil entwickeln. Ich zog Jans und ihre Begegnung also an den Anfang vor, danach tauschen sie sich per Mail aus, damit Giulia nicht in Vergessenheit gerät. Nebenbei flogen auch noch ein paar Indonesien-Szenen raus. Durch die neue Struktur rückte die Liebesgeschichte stärker in den Vordergrund – jetzt war nicht nur mein Lektor Frank Griesheimer zufrieden, sondern auch meine damalige Lektorin Julia Röhlig. Auch einen neuen Titel bekam das Manuskript verpasst, denn mein Arbeitstitel Der Atem des Vulkans war leider schon vergeben, Mist. Mit dem Verlag einigte ich mich auf Im Bann des Vulkans, doch der wurde verlagsintern wieder abgeschossen. Zum Glück nur ganz kurz hieß das Buch Hitze des Vulkans, bis wir uns nach einem ausgiebigen Brainstorming auf Vulkanjäger geeinigt haben. Hier noch eine kleine Auswahl der schlechtesten Titelvorschläge, die meinem Mann und mir beim Brainstorming eingefallen sind: Latin Lava, Und keiner wird dich warnen, Mein Vater am Krater, Asche auf unserer Haut und Wer einmal bebt, dem glaubt man nicht.

Nie hätte ich gedacht, dass ich nach diesem feurigen Manuskript als nächstes Projekt mit jeder Menge Wasser (Floaters) und noch mehr Eis (White Zone) anpacken würde… aber das ist wieder eine andere Geschichte.

2 Kommentare

  1. Über was handelt denn White Zone? Vulkanjäger klingt sehr spannend. Freu mich schon!

    Antworten
    • Hi Andres,
      leider darf ich über „White Zone“ noch gar nicht viel verraten, weil es erst nach „Floaters“ erscheint, also voraussichtlich 2016… aber es soll ein spannender, witziger Roman werden, der in der Antarktis spielt.
      Viele Grüße,
      Katja

      Antworten

Antworten auf Katja Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert